Anfang Februar ist das Buch „The Age of Cryptocurrency“ in der deutschen Übersetzung erschienen. Die Gretchenfrage bei einem Buch mit 400 Seiten ist: Soll ich die Zeit investieren es zu lesen ?
Kurzfassung
Anzugträger: ja
IT Coder: optional
Auf einer Scala von 1 bis 10 bekommt das Buch von mir eine 6.
Langfassung
Die Autoren sind Journalisten, keine Techis. In dem Buch findet man keine wirkliche Beschreibung wie Bitcoin und Blockchain in der Tiefe funktionieren. Die Autoren sind eher der Meinung, dass es nicht notwendig ist die Wirkungsweise eines Ottomotors zu verstehen, wenn man Auto fahren will.
Gut gefallen hat mir die Darstellung, dass jeder, der sich mit den Bitcoins beschäftigt 5 Phasen der der „Kryptoakzeptanz“ durchläuft: Geringschätzung – Skepsis – Neugierde – Verständnis – Akzeptanz. Der Leser wird im Laufe des Buches seine eigene Position wahrnehmen und vermutlich eine Treppenstufe höher steigen.
Anhand von vielen bunten Geschichten, werden sinnvolle Anwendungsgebiete des Bitcoins beschrieben. Bitcoins lösen in vielen Ländern ohne stabiles Banken- und Währungssystem Probleme die es in Deutschland so gar nicht gibt. Was durchaus dazu führen kann, dass man links von anderen Ländern überholt wird. Beispiel China: dort gibt es Unternehmen, deren Unternehmenswert über Blockchains gehandelt werden und die Zentralbank arbeitet an einer eignen Blockchain.
Generell ist das Buch sehr Bitcoin-lastig. Die englische Version des Buchs ist ein Jahr älter, vor dem Hintergrund ist es verständlich das Beispiele für Smartcontract Anwendungen noch weniger konkret behandelt wurden. Ripple oder Ethereum werden am Rande erwähnt.
Im Buch sind persönliche Erfahrungen des Autors verarbeitet, der einige Zeit in Argentinien gelebt hat und selber erfahren musste welche Einschränkungen man in einem bankrotten Land ohne funktionierende Währung unterlegen ist.
Die Autoren holen sehr weit aus. Sie gehen auf die Entstehung des Geldes ein und auf die Fragestellung was Geldscheine wertvoll macht, oder warum Gold einen hohen Wert hat. Wenn man darüber nachdenkt, dass ein Geldschein auch nur ein Schuldschein des Staates ist, relativiert es doch das ein oder andere. Auch war es ein geschickter Kunstgriff von Satoshi bei Bitcoins in Analogie zum Gold das Minen einzuführen.
Des weiteren wird die Bitcoin Historie inklusive der Vorgänger und der Cypherpunk Bewegung beleuchtet, ich fand es spannend anschließend im Bitcoin Blog die Posts von Satoshi nachzulesen. Es erscheint so als wenn Satoshi, oder wie auch immer die Person oder Gruppe heißt, nur geschickt bekannte Ideen neu zusammen geführt hat. Die Zeit war nach dem Crash 2008 einfach reif für ein dezentrales System ohne Banken. Eine Erfindung wie Bitcoin erscheint als eine unausweichliche logische Notwendigkeit.
Den visionäre Schlussteil kann man sich sparen. Hier wagen sich die Autoren nicht, konkrete Prognosen zu treffen. Sie zeigen nur mögliche Szenarien auf.
Wir stehen ganz am Anfang des Umgangs mit dezentralen Anwendungen, Werten und Unternehmen. Man hätte auch die Ingenieure, die die ersten Computer mit Netzwerkkabeln verbanden nach Facebook fragen können. Dabei wollten sie nur, ohne ein Speichermedium von A nach B tragen zu müssen, Dateien kopieren können.
Zusammenfassend kann man sagen, das Buch ist gute amerikanische Unterhaltung, die man auch im halb wachem Zustand, oder am Strand verdauen kann. Faktenorientierte Leser wären mit einer auf 20 Seiten komprimierten Version zufriedener, aber die kann man schlecht für den gleichen Preis verkaufen. Es reiht sich ein in die Reihe der netten Bücher, die in bunten Bildern Wirtschaftsjournalismus betreiben. Die Qualität von „Cybercurrency“ ist nicht vergleichbar mit Christensens „Innovator’s Dilemma“ oder Ries „Lean Startup“. Also liebe Autoren es ist noch Platz ein wirklich gutes Business Buch über Bitcoins und Blockchains zu schreiben, bis dahin lesen wir dieses.
— Andreas Albrecht